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Menschliche Fehler – Human Error

    Nach dem Swiss Cheese Model managen Organisationen Risiken mit Hilfe von Barrieren. Diese Barrieren werden von Menschen errichtet und unterhalten. Je grösser das Risiko, desto zuverlässiger müssen die Barrieren sein. Zu Unfällen kommt es, wenn Barrieren fehlen – weil sie nicht installiert oder außer Kraft gesetzt werden – durch menschliche Fehler. Wie gehen wir damit um?

    Personenansatz vs Systemansatz

    In der Vergangenheit lag bei der Analyse von Arbeitsunfällen der Fokus oft auf der fehlerverursachenden Person, inklusive einer „naming, blaming, shaming“ Haltung, die sich in Ausdrücken wie „menschliches Versagen“ widerspiegelte. Diese traditionelle Sichtweise geht davon aus, dass komplexe Arbeitssysteme mit Hilfe von Systemen und Verfahren beherrscht werden können, dass die Nichteinhaltung von Regeln zu Unfällen führt und dass Fehler daher auf die unmotivierte Person ohne Sicherheitsbewusstsein zurückzuführen sind (“fauler Apfel”-Syndrom). Im Gegensatz zu dieser Sichtweise kommen Beschäftigte nicht zur Arbeit, um Fehler zu machen – sie handeln grundsätzlich in guter Absicht und wollen unverletzt nach Hause gehen.

    Die heutige Sichtweise (Human und Organizational Performance) geht davon aus, dass komplexe Arbeitssysteme nicht per se sicher sind, der Mensch für die Aufrechterhaltung der Sicherheit von zentraler Bedeutung ist und menschliches Fehlverhalten auf Belastungen und Einflüsse einer unvollkommenen Arbeitsumgebung zurückzuführen ist. Wir können die menschliche Fehlbarkeit nicht ändern, aber wir können Rahmenbedingungen schaffen, die Menschen dabei unterstützen, sich sicher zu verhalten, und die verhindern, dass menschliche Fehler katastrophale Folgen haben.

    Menschliche Fehler verstehen

    Deshalb ist es wichtig, aus Fehlern zu lernen: Wir müssen verstehen, welche Fehler warum gemacht werden und welche organisatorischen Defizite ihnen zu Grunde liegen.

    Nach James Reason unterscheiden wir folgende Fehlerarten:

    menschliche Fehler
    • Slips und Lapses sind unbeabsichtigte Handlungen (oder Unterlassungen) mit unbeabsichtigten Folgen bei automatisierten – oder Routinetätigkeiten: “Guter Plan, schlechte Ausführung”. Slips sind Aufmerksamkeitsfehler, z. B. das Verpassen einer Ausfahrt auf dem Heimweg, weil man mit den Gedanken woanders ist. Lapse sind Gedächtnisfehler, z.B. das Vergessen eines Arbeitsschrittes. Diese Fehlerarten können durch Maßnahmen reduziert werden, die die Aufmerksamkeit fördern oder das Gedächtnis unterstützen, z. B. Maschinendesign, Checklisten/Cross-Checks, Reduzierung von Ablenkungen, Alarme, ausreichend Zeit für die Ausführung. Maßnahmen mit anderer Zielsetzung (z. B. Schulungen) sind hier nicht wirksam.
    • Mistakes sind Problemlösungsfehler. Falsche Handlungen oder Entscheidungen, die nicht zum gewünschten Ergebnis führen: “Schlechter Plan – die Ausführung ist kein Problem”. Zum Beispiel das Umfahren einer Straßensperre in unbekannter Umgebung, wo man im “Off” landet. Fehlerursachen im betrieblichen Alltag sind z.B. mangelndes Prozessverständnis, unzureichende oder fehlende Vorgaben, falscher Kontext, mangelnde Erfahrung oder auch Überforderung. Diese Art von Fehlern kann durch Kompetenzerweiterung und klare Vorgaben reduziert werden, z.B. durch adressatengerechte Arbeitsanweisungen, Arbeitsplanung, Schulung und Training.
    • Während Slips, Lapses und Mistakes einen Großteil der menschlichen Fehler ausmachen, sprechen wir nur bei 15%, den Violations, von absichtlichen Non-Compliance, bei denen die Beschäftigten von den ihnen bekannten Regeln abweichen, sie nicht befolgen. Aber auch hier steckt meist die gute Absicht dahinter, die Arbeit gut und schnell zu erledigen. Grob kann unterschieden werden zwischen situationsbedingter Nichteinhaltung (z.B. zu wenig Personal, um die Vorgabe zu erfüllen), optimierender Nichteinhaltung – entweder mit Blick auf den Unternehmens- oder den persönlichen Vorteil – und der – sehr seltenen – rücksichtslosen Nichteinhaltung. Obwohl viele Führungskräfte der Meinung sind, dass Überwachung und Sanktionen die wirksamste Methode zur Bekämpfung von Regelabweichungen sind, tragen sie nur zu etwa 20 % zur Verbesserung bei, während die Verbesserung der systemischen Grundursachen 60 % ausmacht.

    Das Verständnis der verschiedenen Arten von Fehlern unterstützt den Aufbau einer Fehlerkultur: Führungskräfte und Sicherheitsfachkräfte müssen Fehler und ihre Ursachen verstehen, um angemessen reagieren zu können und so ein Umfeld zu schaffen, das das Auftreten menschlicher Fehler reduziert.

    Gut zu wissen

    Die Unfallanalysemethode Tripod Beta sowie das Hearts & Minds Toolkit zur Entwicklung einer Sicherheitskultur unterstützen Unternehmen bei der Implementierung einer Fehlerkultur und geben Hinweise zum Umgang mit den verschiedenen Fehlerarten.


    J. Reason (1990): Human Error, Cambridge University Press.

    Originalfoto lizensiert von iStock.

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