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Sicheres Verhalten durch positive Verstärkung

    Neben der Sicherheitstechnik und der Organisation bekommt die Verhaltensorientierte Arbeitssicherheit eine immer größere Bedeutung, da unsicheres Verhalten eine der häufigsten direkten Ursachen für Unfälle ist.

    Warum arbeiten die Beschäftigten unsicher und wie können wir das ändern?

    Das ABC-Modell der Verhaltentheorie

    Im ABC-Modell (Abb.) lösen vorausgehende Bedingungen (Antecendents) ein Verhalten (Behavior) aus, das Konsequenzen (Consequences) nach sich zieht.

    ABC-Modell als Erklärung für sicheres Verhalten
    Abb.: ABC-Modell

    Es ist demnach notwendig, die vorausgehenden Bedingungen zu schaffen, damit die Beschäftigten ein sicheres Verhalten zeigen. Das bedeutet u.a. Umsetzung von technische Maßnahmen, Aufstellen von Regeln, Anbringen von Schildern, Durchführung von Schulungen, Trainieren von Arbeitsabläufen sowie zu Verfügung stellen von Arbeits- und Bedienungsanleitungen und persönlicher Schutzausrüstung.

    Eine Ursache für unsicheres Verhalten kann darin liegen, dass diese notwendigen vorausgehenden Bedingungen fehlen, die Beschäftigten nicht wissen, wie sie sich sicher verhalten sollen.

    Wirksame vorausgehende Bedingungen

    Vorausgehende Bedingungen sind dann wirksam

    • wenn präzise beschrieben wird, wie das gewünschte Verhalten aussieht,
    • wenn die nötigen Materialen in gutem Zustand und leicht verfügbar sind,
    • wenn das sichere Verhalten erklärt und trainiert wird,
    • wenn unmittelbar vor dem erwünschten Verhalten darauf hingewiesen wird,.

    Vorausgehende Bedingungen reichen nicht aus, um ein Verhalten dauerhaft zu verändern, das Verhalten muss mit Konsequenzen verknüpft sein.

    Verhaltensänderung durch Konsequenzen

    Konsequenzen wirken auf die Wahrscheinlichkeit, in der ein bestimmtes Verhalten auftritt, d.h. sie stärken oder schwächen dieses Verhalten. Verhalten, das für die Beschäftigten unmittelbar positive Konsequenzen hat, wird beibehalten. Verhalten, das eher nachteilige Auswirkungen hat, wird abgestellt.

    Die Wirkung von Konsequenzen ist abhängig:

    • von ihren Auswirkungen: sind diese positiv oder negativ. Dabei spielt auch das Ausmaß eine Rolle.
    • vom Zeitpunkt ihres Auftretens: wirken sie unmittelbar oder zeitverzögert (zeitliche Abwertung).
    • von der Wahrscheinlichkeit ihres Eintretens: treten sie verlässlich oder vielleicht auf.

    Unsicheres Verhalten durch fehlende Konsequenzen

    Eine häufige Ursache für unsicheres Verhalten liegt in fehlenden Konsequenzen: weder sicheres noch unsicheres Verhalten resultiert in unmittelbaren und verlässlichen Konsequenzen für die Beschäftigten. Das Augenmerk der Führungskräfte liegt nicht darauf, ob sicher oder unsicher gearbeitet wird – häufig wird unsicheres Verhalten vor dem Hintergrund des Leistungsdrucks sogar geduldet.
    Das bedeutet: unsicheres Verhalten wird nicht angesprochen, zu natürlichen negativen Konsequenzen in Form eines Unfalls kommt es selten. Dafür ist es oft schneller und bequemer unsicher statt sicher zu arbeiten. Sicheres Verhalten hingegen zieht wenig wirksame positive Konsequenzen nach sich zieht: es ist oft aufwändiger und wird häufig nicht anerkannt.

    Verhaltensformung durch Konsequenzen

    Wenn im betrieblichen Alltag Konsequenzen eingesetzt werden, dann in Form von negativen Konsequenzen für unsicheres Arbeiten. Getreu dem Motto: “Nicht getadelt ist genug gelobt” wird davon ausgegangen, dass sich sichere Verhaltensweisen von selbst etablieren, sobald das unsichere Verhalten beendet wird. Das ist ein Trugschluss.

    Es gibt verschiedene Methoden, wie die Häufigkeit von Verhalten durch Konsequenzen gesteigert oder gesenkt werden kann (Tab.):

    Methoden, die Häufigkeit von sicherem Verhalten durch Konsequenzen zu steigern

    MethodeBeispielemögliche Nebenwirkungen
    Positive Verstärkung:
    etwas Erwünschtes bekommen
    Lob, Anerkennung, Erfolg, Bestätigung, Stolz, Bedürfnisbefriedigungunabsichtliche Verstärkung des falschen Verhaltens, falsche Anwendung
    Negative Verstärkung:
    etwas Unerwünschtes vermeiden
    keinen Unfall haben, negative Kommentare vermeiden, nicht bestraft werdenständige Überwachung erforderlich,
    so viel erwünschtes Verhalten wie erforderlich,
    ähnliche Probleme wie bei Bestrafung und Entzug
    Erholung nach Bestrafung:
    die unerwünschte Konsequenz bleibt aus
    keine Bestrafung mehr für Verhalten, das sonst immer bestraft wurde

    Methoden, Häufigkeit von unsicherem Verhalten durch Konsequenzen zu senken

    MethodeBeispielemögliche Nebenwirkungen
    Bestrafung:
    etwas Unerwünschtes bekommen
    Kritik, Verletzung, AbmahnungEskalation (immer massivere Strafen notwendig),
    Der Bestrafende wird gemieden,
    Der Bestrafte vermeidet Bestrafung, zeigt aber nicht das erwünschte Verhalten,
    Gegenagressionen
    Entzug:
    etwas Unerwünschtes verlieren
    Geld- oder Zeitstrafe, VersetzungEskalation (immer massivere Strafen notwendig),
    Der Bestrafende wird gemieden,
    Der Bestrafte vermeidet Bestrafung, zeigt aber nicht das erwünschte Verhalten,
    Gegenagressionen
    Extraktion:
    die erwünschte Konsequenz bleibt aus
    keine Antwort bekommen, frustriert werdenSchwer durchzuhalten, emotionales Verhalten
    Tab. Übersicht über die Methoden zur Verhaltensformung (nach Bördeln, 2009)

    Nur positive Verstärkung kann ein erwünschtes, sicheres Verhalten dauerhaft festigen und hat wenig Nebenwirkungen. Daher treten sichere Verhaltensweisen in einem Arbeitsumfeld, wo positive Verstärkung fehlt, selten auf.

    Abhilfe schaffen BBS (Behavior Based Safety)-Ansätze – durch gezielte positive Verstärkung sicherer Verhaltensweisen im Rahmen eines strukturierten Prozesses.

    Gut zu wissen

    Sicherheitsprämien, z.B. für unfallfreie Tage, verstärken das sichere Verhalten nicht, da sie nicht an das Verhalten, sondern an ein Ergebnis gekoppelt sind, auf das der Einzelne nur begrenzt Einfluss nehmen kann.

    Quelle und empfohlener Lesestoff mit verhaltenspsychologischen Einblicken: Verhaltensorientierte Arbeitssicherheit – Behavior Based Safety (BBS) von Prof. Dr. Christoph Bördlein. Aktuell in der 3., völlig neu bearbeiteten Auflage 2022 unter ISBN 978-3-503-20073-3 erhältlich.


    Danke! Für das Originalfoto an Nathan Dumlao auf Unsplash.

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