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Nudge – ein Schubs in die richtige Richtung

    ‘Nudge’ ist ein Begriff aus der Verhaltensökonomie. Die deutsche Übersetzung für ‘nudge’ ist Schubs – in Richtung einer richtigen Entscheidung und damit eines gewünschten Verhaltens. Bei einem Nudge handelt es sich um kleine unbewusste Interventionen in Entscheidungssituationen, die Verhalten lenken – ohne Verbot oder wesentliche Veränderung von Anreizen. Ein wunderbares Beispiel findet ihr in Stockholm: die Piano-Stairs. Es gibt weiterhin die Möglichkeit, Stufen oder Rolltreppe zu nutzen, aber die Entscheidung zur Nutzung der Stufen wird durch die Ergänzung einer Klaviertastatur angeschubst.

    Nudges helfen bei Entscheidungen

    Unser Gehirn trifft Entscheidungen mit Hilfe zweier kognitiver Systeme. System 1 ist für die intuitive Verarbeitung zuständig, die relativ schnell, automatisch und mühelos abläuft, während System 2 für das bewusste Denken zuständig ist, was für uns relativ langsam, kontrolliert und anstrengend ist. Wir treffen also Entscheidungen intuitiv (wie Homer Simpson) oder bewusst (wie Mr Spock).

    Nudges können beide kognitiven Systeme betreffen, sprechen aber bevorzugt den emotionalen, irrationalen Teil unserer Entscheidungsfindung, also System 1, an. Sie zeigen hier eine hohe Effektivität, weil sie uns das Denken und damit auch das Treffen von Entscheidungen in komplexen Situationen erleichtern. Wichtig dabei ist, das Nudges anstupen statt vorschreiben, d.h. die individuelle Entscheidungsfreiheit erhalten und diese ohne Verbote und Regeln in die richtige Richtung lenken. Um per Definition als Nudge zu gelten, muss er simpel und günstig in der Implementierung, sowie einfach zu umgehen sein. Er darf keine Wahlmöglichkeit ausschließen oder wirtschaftliche Anreize stark verändern.

    Beispiele für effektive Nudges

    • Die Zahl derer, die sich für eine zahnärztliche Untersuchung anmeldeten, verdoppelte sich nach Versenden einer Erinnerung.
    • Die Treffsicherheit bei Nutzung der Urinale des Amsterdamer Flughafen Schiphol hat sich um 80% erhöht, nachdem in diese das Bild einer schwarzen Fliege eingeätzt wurde.
    • Bei einer Studie hielten 63% der Supermarktkunden den geforderten Mindestabstand von 1,5 Metern ein, nachdem Fußabdrücke kombiniert mit Schildern auf den Boden aufgebracht wurden.
    Source: FreeImages

    Häufig eingesetzte Nudges

    Es gibt zahlreiche Arten von Nudges. Häufig eingesetzt werden:

    • Festlegen einer Standardoption (Default Regeln): Menschen halten sich oft an die Standardoption, die ihnen angeboten wird. Wenn also eine bestimmte Option als Standard festgelegt wird, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass die Menschen sie wählen. Wenn man beispielsweise Menschen standardmäßig zu Organspendern macht, kann dies die Rate der Organspenden erhöhen, verglichen mit der Anforderung, dass die Menschen sich für eine Spende entscheiden müssen, um Spender zu werden.
    • Setzen eines psychologischen Ankers: Ein psychologischer Anker ist eine anfängliche Information, nach der sich Menschen bei späteren Urteilen und Entscheidungen richten. Ein Unternehmen kann beispielsweise einen psychologischen Anker setzen, indem es veröffentlicht, dass “die meisten Kollegen x unsichere Zustände pro Woche melden”, um die Kolleg*innen dazu zu bewegen, mehr zu berichten als sie es sonst tun würden.
    • Erhöhung der Bequemlichkeit: Dies kann entweder bedeuten, dass eine gute Option leichter oder eine schlechte Option schwerer zu wählen ist. Um die Menschen zu einer gesünderen Ernährung zu bewegen, kann eine Cafeteria beispielsweise gesunde Lebensmittel an günstigen und ungesunde Lebensmittel an weniger günstigen Stellen platzieren. Ein weiteres Beispiel betrifft die gute Verfügbarkeit von Persönlicher Schutzausrüstung, z.B. von Gehörschutzspendern, am Arbeitsplatz.
    • Verändern der Bedeutung bestimmter Optionen: Hier geht es darum, entweder eine gute Option sichtbarer oder eine schlechte Option weniger sichtbar zu machen.
    • Soziale Normen: Anpassen des eigenen Verhaltens an das Verhalten und die Werte der Mitmenschen oder Teammitglieder.
    • Information über etwas: direktes Feedback über das Verhalten – ein rotes Smiley mit heruntergezogenen Mundwinkeln als Hinweis auf überhöhte Geschwindigkeit läßt Autofahrer automatisch auf die Bremse treten.
    • Erinnern an Informationen: Wenn man Menschen an Informationen erinnert, die sie bereits kennen, kann das ihr Verhalten beeinflussen, ähnlich wie wenn man sie über Dinge informiert, die sie noch nicht wussten. Ein Beispiel wären Informationen über am Arbeitsplatz eingesetzte Gefahrstoffe.
    • Erinnern, etwas zu tun: Wenn man Menschen daran erinnert, etwas zu tun, was sie tun müssen, kann man sie dazu bringen, etwas zu tun. Das betrifft z.B. die tägliche Erinnerung der Fitness App dass man ein bestimmtes Schrittziel einhalten möchte oder die Erinnerung an die Nutzung des Handlaufes.
    • Veranlassen, langsamer zu werden: Wenn man Menschen dazu ermutigt, ihren Entscheidungsprozess zu verlangsamen, kann man ihnen helfen, bessere Entscheidungen zu treffen. Wenn man beispielsweise einführt, 5′ über Sicherheit nachzudenken, kann dies dazu beitragen, dass über das eigene Wissen, vorhandenes Werkzeug etc. reflektiert und im Zweifel Kolleg*innen hinzugezogen werden.

    Positive und negative Nudges

    Nudges können beabsichtigt oder unbeabsichtigt eingesetzt werden und es gibt neben den positiven auch negative Nudges. Positive Nudges können Menschen dazu bringen, Entscheidungen zu treffen, die als gut für sie empfunden werden, während negative Nudges Menschen dazu bringen, Entscheidungen zu treffen, die als schlecht für sie empfunden werden. Ein Beispiel sind ungesunde Snacks, die in der Nähe der Kasse platziert werden. Im Fall negativer Nudges kann die Entscheidung, zu der die Menschen veranlasst werden, für jemand anderen – z. B. ein Unternehmen – durchaus positiv sein.

    Nudges als Maßnahme im Arbeitsschutz

    Nudges können zu sicherem und gesundem Verhalten bei der Arbeit animieren und tragen aufgrund ihrer positiven Verstärkung zur Verhaltensänderung bei. Allerdings beziehen sie sich als verhaltensändernde Maßnahmen auf die untere und damit letzte Ebene der Maßnahmenhierarchie, dem individuellen Verhalten, und sind daher eher ergänzend oder für die Anwendung bei geringem Schadensrisiko geeignet. Sie können Arbeitsschutzmaßnahmen der technischen oder organisatorischen Ebene nicht ersetzen.

    Und: Nudges schaffen es nur sehr selten, das unerwünschte Verhalten vollständig zu vermeiden, da die Entscheidung letztlich persönlich bleibt und bleiben soll.

    Aber: Nudges machen Spaß und sollten ihren Platz als mögliche Maßnahmen im Arbeits- und Gesundheitsschutz finden.

    Gut zu wissen

    DAS Buch zum Thema hat der Wirtschaftsnobelpreisträger Richard H. Thaler zusammen mit dem Rechtswissenschaftler Cass R. Sunstein unter dem Titel ‘Nudge – wie man kluge Entscheidungen anstößt’ geschrieben. Und ein weiterer Nobelpreisträger, Daniel Kahnemann, gibt mit seinem Buch ‘schnelles Denken, langsames Denken’ Einblicke in unser Denken und klärt unterhaltsam und mit vielen Beispielen über Denkirrtümer auf.

    Die BG ETEM hat auch ein Whitepaper zu ‘nudging – ein neuer Weg zur Senkung von Unfallrisiken’ veröffentlicht, das hier kostenfrei heruntergeladen werden kann.


    Danke! Für das Originalfoto an FreeImages

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