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Warum haben wir Stress?

    Ich habe vor einiger Zeit Meister und Vorarbeiter nach ihren Belastungen durch Führungsaufgaben befragt. Einer hat etwas sehr treffendes gesagt: “die Kollegen erzählen Dir manchmal Sachen, das hast Du ja auch keine Schublade für”.

    Ich finde, dass dieses Bild ganz gut passt: es gibt Belastungen, die stecken wir ohne zu zögern weg und andere treten wir von einer Ecke in die andere, finden einfach nicht die richtige Schublade: das Problem scheint unlösbar, wir bekommen es nicht aus dem Kopf.

    Was ist es genau, das uns belastet?

    Wir sind in unserer Arbeitswelt unterschiedlichsten Belastungen ausgesetzt. Dabei setzt sich die Gesamtbelastung aus einer Kombination unterschiedlichster Belastungsfaktoren zusammen. Das sind im Wesentlichen:

    • Arbeitsaufgabe (also Art und Umfang der Tätigkeit),
    • Arbeitsumgebung (z.B. Lärm),
    • Arbeitsorganisation (z.B. Störungen, Unterbrechungen, Arbeitsabläufe),
    • soziale Beziehungen (z.B. Führungsstil, Team, Betriebsklima) und
    • neue Arbeitsformen.

    Die Zusammensetzung der Gesamtbelastung ist demnach davon abhängig, wie und wo wir arbeiten. Das Arbeiten im Home Office bringt andere Belastungskombinationen mit sich als das Arbeiten in einem Produktionsbetrieb.

    Wie gehen wir mit Belastungssituationen um?

    Rohmert und Rutenfranz haben 1975 ihr Belastungs-Beanspruchungs-Modell veröffentlicht, dass die psychische Beanspruchung durch die Arbeitsbelastung anschaulich erklärt:

    Belastungen sind zunächst wertneutral. Sobald wir eine Belastungssituation wahrnehmen, bewerten wir sie unbewusst als für uns

    • positiv,
    • irrelevant oder
    • stressrelevant.

    Ist die Belastung stressrelevant, prüfen wir die uns zur Verfügung stehenden Ressourcen:

    Wir haben eigene Ressourcen, z.B. unsere Kompetenz, erworbene Bewältigungsstrategien (Lösungsansätze) oder unsere persönliche Einstellung (z.B. Optimismus).

    Dazu können wir auf externe Ressourcen zurückgreifen: Diese werden uns entweder von der Organisation zur Verfügung gestellt (z.B. ein großer Handlungs- und Entscheidungsspielraum) oder wir erhalten soziale Unterstützung durch Familie, Teammitglieder, Vorgesetzte oder über unsere Netzwerke.

    Haben wir den Eindruck, dass uns ausreichend Ressourcen zur Verfügung stehen, werden wir versuchen, die Belastung zu bewältigen, d.h. das Problem oder die für uns herausfordernde Aufgabe zu lösen.

    Gut zu wissen: die Bewältigung kann problembezogen oder emotionsbezogen erfolgen. Bei der problembezogenen Bewältigung suchen wir aktiv nach einer Lösung für die Aufgabe (z.B. durch Informationssuche, Unterstützungsanfrage), bei der emotionsbezogenen regulieren wir die eigenen hochkochenden Emotionen, die bei der Auseinandersetzung mit der Aufgabe entstehen – typischerweise durch Ablenkung, Entspannung oder ein Glas Wein.

    Welche Auswirkungen hat die Auseinandersetzung mit der Belastung?

    Gelingt die Bewältigung, gehen wir mit gestärktem Selbstbewusstsein und neu erlernten Bewältigungsstrategien aus der Situation hervor. Das ist eine positive Beanspruchung.

    Bei einem gescheitertem Bewältigungsversuch oder unzureichenden Ressourcen erleben wir eine negative Beanspruchung, z.B. in Form von Stress. Entweder weil wir “versagt” haben oder weil wir nicht wissen, wie wir die Aufgabe oder das Problem lösen sollen. 

    Stress ist individuell: dieselbe Belastung kann die eine Person negativ beanspruchen, während eine andere gar nicht oder sogar positiv beansprucht wird.

    Positive Beanspruchungsfolgen sind z.B. Lernen und Kompetenzentwicklung, negative äußern sich z.B. in psychischer Ermüdung und Stress.

    Wenn wir eine kurzzeitige negative Beanspruchung erfahren, kann diese ausgeglichen werden. Langfristige einseitige Fehlbeanspruchungen zeigen sich körperlich, z.B. mit Bluthochdruck oder Herzerkrankungen, psychisch, z.B. mit Burnout, Schlafstörungen oder in bestimmten Verhaltensweisen, z.B. Konzentrationsstörungen, Fehlzeiten, Drogenmissbrauch.

    Wie kann das betriebliche Gesundheitsmanagement beitragen?

    Das oben abgebildete Modell zeigt, dass wir an den Belastungen und an den Ressourcen arbeiten können, um die Beanspruchung zu regulieren – beide sollten Bestandteil eines betrieblichen Gesundheitsmanagements sein.

    Es können also, u.a. mit Hilfe der Beurteilung der psychischen Gefährdungen, Belastungsfaktoren und Maßnahmen zur Reduzierung identifiziert werden.

    Eine wichtige externe Ressource, auf die das Unternehmen Einfluss hat, ist der Handlungs- und Entscheidungsspielraum. Dieser ermöglicht es, die Arbeit selbstbestimmt einzuteilen und bestenfalls so zu bewältigen. Studien zeigen, das ein großer Handlungs- und Entscheidungsspielraum mit Motivation, Arbeitszufriedenheit und Wohlbefinden in Zusammenhang steht, Stressfolgen verringert oder verhindert werden können.

    Auch bei der Stärkung der individuellen Ressourcen kann die Organisation durch Angebote zu Stressmanagement oder Resilienztraining unterstützen.

    Wichtig, um die verbrauchten Ressourcen immer wieder aufzutanken, sind ausreichend Erholung und Schlaf – das haben jedoch häufig nicht die Unternehmen in der Hand. 

    Hinzugezogene Quellen: Transaktionales Stresskonzept, Belastungs-Beanspruchungs-Modell (Rohmert & Rutenfranz, 1975)

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